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Arschbombe

Mein Vater war ein Meister der «Arschbombe», laut Wikipedia «auch Paketsprung genannt. So bezeichnet man einen Sprung ins Wasser, wobei der Springer in der Regel das Wasser zuerst mit dem Gesäss berührt.»

Seinen Enkeln hat das von klein auf Eindruck gemacht. Vor vielen Jahren in der Badi in Ascona, die Kinder noch ganz klein, sichteten sie das Dreimeterbrett über dem See, strahlten den Opa mit Bewunderung an, zeigten auf den Turm und riefen: «Opa, Arschbombe!» Niemand von uns hätte das gemacht und wir hätten es meinem auf die 70 zugehenden Vater auch nicht zugemutet – ich höre meine Mutter noch murmeln «ach, Kläuschen» – , aber er hat es gewagt, hat sich in die Warteschlange zwischen die Jungen und die Fitten eingereiht, selbst ein kleiner Mann und eben sichtbar ein Opa, aber unbeirrt und beflügelt von der tiefen Bewunderung seiner Enkelsöhne. Und er machte sie, mit Anlauf, hoch in die Luft, und als kompaktes Paket (daher «Paketsprung») – platsch – in den See. Was für eine Arschbombe! Was für ein Moment!

Mein Vater ist bereits seit vielen Jahren verstorben. Es gab zwischen uns auch Schwieriges, Unausgesprochenes, aber die Erinnerung an diese besondere Fähigkeit ist geblieben. Und so denken wir jedes Mal an ihn, wenn wir in den Ferien sind – und machen Arschbomben. Weil wir uns alle gern daran erinnern, weil es uns mit ihm verbindet und weil es ganz einfach Spass macht.

Diese Art der Erinnerung erlebe ich nicht, wenn ich sein Grab besuche, auch nicht in kirchlichen Feiern oder andächtigem Gedenken. Sie kommt aus ohne die Aufarbeitung unseres Verhältnisses. Ja, es gibt Dinge, die zu beweinen sind, aber auch «Arschbomben-Momente». Sie sind des Erinnerns würdig. Alles hat Platz in der geheimnisvollen Gegenwart Gottes.

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