Mitten im Fluss, erhaben auf einem Stein, eine Schale aus Eis. Ganz anders als in dem berühmten Text von Bernhard wird sie nicht gefüllt. Und so kann sie auch nichts weitergeben.
Es mag Phasen im Leben geben, die sich ähnlich anfühlen. Ich möchte gern Schale sein, bereit zu empfangen und weiterzugeben, gesättigt zu werden und überzuströmen, aber ich bin - im wahrsten Sinne des Wortes - nicht im Fluss. Mir strömt nichts zu, sondern es strömt an mir vorbei.
Das muss gar nicht an mir liegen. Es kann durchaus sein, dass ich einfach am falschen Ort bin. Irgendwie aus dem Fluss geraten, zwar erhaben in eisiger Schönheit, aber erstarrt.
Ich bin als denkender und fühlender Mensch nur im übertragenen Sinne eine Schale, daher kann ich mich bewegen, einen Ortswechsel vornehmen. Vielleicht muss ich ein bisschen rumprobieren, bis ich den richtigen Ort für mich gefunden habe. Ich werde merken, dass er es ist, wenn das Leben wieder strömt und sprudelt und gluckert. Ich bin wieder im Fluss.
Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während jene wartet, bis sie gefüllt ist.
Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfliesst, ohne eigenen Schaden weiter.
Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugiessen und habe nicht den Wunsch freigiebiger zu sein als Gott.
Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird sie zur See. Du tue das Gleiche! Zuerst anfüllen, und dann ausgiessen.
Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt überzuströmen, nicht auszuströmen.
Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst.
Wenn du nämlich mit dir selber schlecht umgehst, wem bist du dann gut?
Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle,
wenn nicht, schone dich.
(Bernhard von Clairvaux)