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Ruhe finden

segensreich

«Lernt von mir ..., und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele." (Mt 11, 29) - Tolle Idee, denke ich, während ich mit meinem vollgepackten Einkaufswagen und zwei ausgesprochenen munteren Kleinkindern die «Passabene»-Kasse ansteuere. «Das tut mir leid», entschuldigt sich die nette Dame an der Kasse, «heute müssen Sie einmal alles aufs Band legen.» Ja, der Vormittag fängt grossartig an.
Wie soll ich da die Ruhe bewahren, geschweige denn zur Ruhe kommen, frage ich mich. Ich habe es jedenfalls eilig. Zu allem Überfluss will es an der Kasse einfach nicht gelingen, die Biogurke zu scannen. Warum habe ich mich nicht für Apfelmus aus der Dose entschieden?

Ruhe für die eigene Seele finden - wie soll das in unserer hektischen Welt gehen? In Urlaub fahren, sich einmal richtig verwöhnen lassen, vielleicht an einem endlosen Strand spazieren gehen ... das wär schon was. Im Moment würde mir allerdings schon reichen, wenn die Biogurke sich in ihr Schicksal ergeben würde! Mittlerweile kräht mein Vierjähriger zwischen Entsetzen und heller Begeisterung, «Mama, guck mal, Moritz drückt die Joghurtdeckel ein.» Ich merke, wie sich meine Finger am Wagengriff verkrampfen. Innerlich schimpfe ich wie ein Rohrspatz und möchte am liebsten selbst ein paar Joghurtdeckel eindrücken oder auch direkt an die gegenüberliegende Wand mit Aushängen klatschen.

«Ich bin sanft und demütig» – Ich wohl eher nicht. Aber Jesus hat auch nicht mit kleinen Kindern im Schlepptau im Supermarkt einkaufen müssen! Ob das, was er gesagt hat, trotzdem noch gilt? Für mich? Alltagstauglich müssten Jesu Worte sein, nicht nur sonntags im Gottesdienst schön klingen. Da ist es leicht, zur Ruhe zu kommen, gelassen zu sein. «Kommt zu mir, all ihr Geplagten und Beladenen ...» Immerhin: schwer beladen bin ich mit meinem Einkaufswagen und geplagt von einem zweijährigen Joghurtdeckelzerstörer.

Ein bisschen Sonntag in den Alltag mitzunehmen, das könnte nicht schaden. Die Dinge gelassener anzugehen, den Versuch zu machen, Ruhe zu bewahren, sich nicht anstecken zu lassen von dem schnellen Pulsschlag der Gesellschaft. Der Zeitforscher Hartmut Rosa hat kürzlich in der Südostschweiz ein Interview gegeben. Er sagt, dass wir uns in hohem Masse Beschleunigungszwängen unterwerfen und uns daraufhin fühlen wie in einem Hamsterrad. «Wir meinen, immer schneller laufen zu müssen, ohne irgendwo anzukommen.» Er selbst wünscht sich, am Ende seines Lebens sagen zu können, dass das, was er getan hat, ihm immer noch sinnvoll erscheint und nicht umsonst war.

«Lernt von mir…, und ihr werdet Ruhe finden», verspricht Jesus. Wie soll ich mir mitten im Alltag Ruhe gönnen? Irgendwie müssten Jesu Worte doch Wirkung zeigen, müssten die Welt um mich herum verändern? Können sie das? Vielleicht liegt es aber auch an mir selbst?! Vielleicht sollte ich alles ein wenig leichter nehmen und nicht so verbissen reagieren. Das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden. Wie dramatisch ist die Sache mit dem Joghurtdeckel eigentlich? Warum hetze ich mich und die Kinder durch das Geschäft? Ist der ganze Stress notwendig?

«Mama, träumst Du?» Mein Sohn sieht mich verwundert an. Ich stutze. Ich habe es nicht bemerkt: eine kleine Ewigkeit scheint vergangen zu sein. Die Hektik in mir ist verflogen. «Tut mir leid, ich war mit meinen Gedanken gerade woanders», sage ich und lächele in mich hinein.

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